INTERVIEW NARO KAEWTAN

21.04.2023

INTERVIEW NARO KAEWTAN

Entdeckt in unserem neuesten Interview die faszinierende Welt der Straßenfotografie mit Naro Kaewtan! Erfahrt mehr über seine persönliche Reise zur Fotografie, seinen einzigartigen Stil der urbanen Romantik und wie der Austausch mit Gleichgesinnten seine Leidenschaft entfachte.

 

Hallo Naro, wann hat deine Faszination für Fotografie angefangen und was war deine erste Kamera?

Ich habe schon seit meiner Jugendzeit immer wieder eine kleine Kamera gehabt, um mal auf Reisen, Ausflügen oder auch bei Feiern mit Freunden ein paar Schnappschüsse festzuhalten. Die Faszination für Fotografie war also immer da, aber intensiver wurde sie erst, als ich eine DSLR bekommen habe und dadurch vieles möglich wurden. 2014 etwa wollte ein Freund seine Kamera, eine Nikon D3100, verkaufen und ich wiederum ein Fahrrad. So tauschten wir, Kamera gegen Fahrrad. Der beste Tausch meines Lebens bisher. Seitdem habe ich mich immer intensiver mit der Fotografie beschäftigt.

Der Funke, der bei mir die Leidenschaft gänzlich entfachte, kam in der Zeit der Pandemie, als die Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung doch sehr eingeschränkt war. So verbrachte ich unter anderem auch viel Zeit auf Instagram und lernte viele Menschen dadurch kennen, die ebenfalls gerne fotografieren. Als es dann wieder möglich wurde, traf ich viele von den Leuten, die ich bisher nur online kannte, auf Walks, um dann gemeinsamen durch die Stadt zu ziehen, zu quatschen, fachsimpeln und einfach Spaß haben. Aus Online-Bekanntschaften wurden dann auch Freunde, mit denen ich dann auch auf Fotoreisen gehe.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Was bedeutet es für dich Streetphotographer zu sein und was stellt für dich den besonderen Reiz an diesem Genre dar?

Das Besondere für mich an der Streetphotography ist, dass man die Motive oder Szenen nicht so planen kann und man manchmal einfach Glück benötigt. Neulich hat mir ein befreundeter Fotograf erzählt, der Fotografie studiert hat, dass es zwei Arten von Streetphotographern gibt: 1. Der Jäger, der bewusst und aktiv die Protagonisten sucht und ihnen auch unter Umständen hinterher jagt. 2. Der Angler, der fast schon passiv an seinem Platz den Köder auswirft und wartet, bis der Fang anbeißt. Ich gehöre zu der zweiten Kategorie. Dabei ist Geduld eine Tugend. Manchmal ist die Bühne oder Kulisse auf der Straße perfekt ausgearbeitet, das Licht ist perfekt gesetzt und das Warten auf den Protagonisten beginnt.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Wie bezeichnest du deinen fotografischen Stil und hast du Fotograf*innen als Vorbilder?

Ich würde es als eine Art urbane Romantik bezeichnen. Bis vor etwa zwei Jahren habe ich Berlin ausschließlich ohne Menschen aufgenommen, sozusagen als städtische Landschaftsfotografie. Erst nach und nach kam der Aspekt dazu, Menschen als Protagonisten oder Maßstab dazuzunehmen. Ein Vorbild, dessen Malerei ich sehr gerne mag, ist z.B. Casper David Friedrich. In seinen Werken spürt man eine gewisse Melancholie, wenn man die einzelnen Figuren in der sonst menschenleeren, aber großen Landschaft sieht.

So ähnlich versuche ich die Stadt aufzunehmen. Man ist in Großstädten, wie hier in Berlin, normalerweise von vielen Menschen umgeben, die auch die Stadt natürlich in ihrer Vielfalt und auch Masse prägen und ausmachen. Umso spannender wird es, wenn der große urbane Raum von wenigen oder nur einzelnen Protagonisten bespielt wird.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Bei der Straßenfotografie scheint alles ungeplant und sehr spontan, wie schaffst du es, die Grenzen der Menschen auf der Straße zu respektieren und was sind dabei deine größten Herausforderungen?

Da ich meistens so fotografiere, dass die Menschen eigentlich nicht erkennbar sind, schaffe ich auch eine gewisse Distanz. Die Personen sind meistens auch weiter weg in den Bildern und verschmelzen eher mit dem Gesamtbild und stellen meist den i-Tupfer der Szene dar. Dabei ist die Person selbst zwar enorm wichtig für die Szenerie, aber nicht wer sie ist, das bleibt meistens ein Geheimnis. Und dabei versuche ich auch so zu agieren, dass sich niemand unwohl fühlen sollte.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Gibt es ein Foto, auf das du stolz bist und wenn ja, warum? Was macht ein Bild für dich besonders?

Das Foto mit dem Fahrradfahrer vor der untergehenden Sonne in Berlin. Für mich eines meiner Favoriten. Ich hatte das Motiv mit dem Fernsehturm zuvor selbst schon mal gesehen und fotografiert. Die nächste Stufe dazu war dann, auf einen Protagonisten zu warten, der genau hinter der Anhöhe kommt und dabei die Sonne und die Silhouette von Berlin im Rücken hat. Ich kann gar nicht beschreiben, was das für ein Gefühl war, als ich dieses Bild dann noch mal auf der Kamera gesehen habe. Für solche Momente gehe ich fotografieren.

Ein besonderes Bild ist für mich, wenn es anregt, bestenfalls sogar Emotionen weckt und man es fühlt.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Welche Kamera und welches Objektiv sind deine treuen Begleiter und mit welchen Einstellungen fotografierst du, wenn du unterwegs bist?

Ich bin mit einer Sony A7 IV unterwegs, die technisch alles kann, was ich zurzeit benötige. Dabei habe ich meistens ein Ultraweitwinkel (Sony 16-35 mm 2.8 GM) in meiner Tasche, um Orte und Plätze besonders groß einzufangen. Es kommt auch auf die jeweiligen Situationen und Tageszeiten an, was noch mit darf. Wenn ich z.B. tagsüber losziehe, habe ich in der Regel noch ein Standardzoom (Tamron 28-75 mm 2.8 Di III RXD) und ein Tele (Sigma 100-400 mm DG DN) mit dabei, um möglichst flexibel auf die jeweiligen Spots und Perspektiven vorbereitet zu sein. Dabei stelle ich die Kamera auf die jeweils passenden Lichtsituationen und Bildwirkungen ein. Wenn ich nachts unterwegs bin, nehme ich noch eine oder zwei lichtstarke Festbrennweiten mit (Sigma 35 mm 1.4 DG DN Art oder das Sony 85 mm 1.8), um auch bei wenig Licht und offenblendig fotografieren zu können.

Seit einiger Zeit nehme ich auch gerne zusätzlich mindestens eine analoge Kamera mit, mit der es einfach Spaß macht, Fotos klassisch auf Filmnegativen festzuhalten.

 

Fotos: Naro Kaewtan

 

Zu welchen Tageszeiten fotografierst du am liebsten und wie findest du die Spots spontan oder recherchierst du vorher im Internet, was du gerne fotografieren möchtest?

Ich fotografiere gerne zur goldenen Stunde, eine Stunde nach Sonnenaufgang bzw. eine Stunde vor Sonnenuntergang, wenn das Licht schön tief steht und es dabei fast schon wie Scheinwerfer strahlt und die Schatten besonders groß geworfen werden.

Auch nachts zieht es mich gerne auf die Straßen, wenn nur noch das künstliche Licht die einzelnen Plätze beleuchten sind und sie dadurch in Szene gesetzt werden.

Die Spots kommen beim Spaziergang durch die Stadt, manchmal sehe ich die Orte auch auf Instagram und überlege, wie ich sie fotografieren würde und probiere es dann selbst aus. Wenn es sich um eine Stadt handelt, in der ich noch nicht war, frage ich auch gerne meine Freunde und Bekannte, wo und wann man am besten sein sollte, um dort fotografisch etwas Spannendes mitzunehmen. 

 

Hast du einen Tipp zur Streetphotography, den du unseren LeserInnen verraten magst?

Es hilft, sich von den alten Meistern der Malerei inspirieren zu lassen, insbesondere wenn es darum geht, wie man Geschichten erzählt und sich dabei selbst auch zu fragen, was für eine Geschichte das eigene Foto erzählen soll. Bildaufbau, Stimmung und Kompositionen sind Werkzeuge, um dem eigenen Stil Ausdruck zu verleihen. Auch Fotografien von anderen, sich bewusst anzuschauen, sei es in Ausstellungen oder auch Fotobüchern, können tolle Quellen der Inspiration sein.

Was essenziell ist, mit offenen Augen unterwegs sein, auch mal stehen zu bleiben, beobachten, innezuhalten, durchatmen, auf die kleinen und großen Dinge achten, die passieren könnten.

Wo ich aber selbst große Schritte gemacht habe, waren die Treffen und Walks mit Gleichgesinnten, die dieselbe Leidenschaft für Fotografie haben. An Punkten gemeinsam stehenzubleiben, die Szenerie beobachten und sich überlegen, wie sie aussehen könnte. Der Austausch mit anderen, die ähnliche Wege und Ziele haben, ist immer bereichernd.

Wenn ihr gern weitere Bilder von Naro Kaewtan sehen möchtet, dann besucht ihn auf Instagram @naro.berlino.